Coworking-Spaces bieten ihren Nutzern, den sogenannten Coworkern, nicht nur ein Büroraum oder Arbeitsplatz mit nötiger Infrastruktur an. Es geht stattdessen um einen sozialen Raum der Vernetzung, Gemeinschaft und Innovationsförderung. Statt klassischem langen Flur mit abgeschotteten Büroräumen gibt es meist große offene Gemeinschaftsräume mit separaten Meeting- und Telefonräumen.
Der Bundesverband Coworking Spaces e.V. hat in einer Markterhebung herausgefunden, dass sich die Zahl der Coworking-Spaces in Deutschland innerhalb der letzen zwei Jahre vervierfacht hat. Stand Mai 2020 beläuft sich die Zahl auf 1268 Coworking-Spaces (weltweit: 26.300).
Zwar hat Corona aufgrund der Lockdowns die Entstehung neuer Coworkings gehemmt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Bedeutung von Coworking-Spaces durch die Folgen der Pandemie rasant zunehmen wird. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben das Home-Office für Ihre Mitarbeiter:innen entdeckt und wollen flexible Angebote weiter ausbauen. Gleichzeitig leidet der soziale Austausch im Home-Office; auch die technische Ausstattung ist meist “homemade”. Vermehrt suchen Arbeitnehmer und Freiberufler daher nach Orten, wo Konzentration und Austausch gleichzeitig möglich sind.
Genau hier setzen Coworking-Spaces an – sie bieten:
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Arbeitsumgebung mit Büroausstattung und Technik (hochleistungsfähiges WLAN für gleichzeitige Videokonferenzen, vollausgestattet Drucker und Kopiere, ergonomische Bildschirme und Büromöbel), die im häuslichen Umfeld nicht immer geschaffen werden kann
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Besseres soziales Wohlbefinden durch Austausch mit anderen Coworkern
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Kurze Wege zur Arbeit (Tendenz Land) oder Kombination von Aktivitäten durch gute Zentrumslage (Tendenz Stadt)
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Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer unterschiedlicher Berufsgruppen
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Inspiration und Vernetzung innerhalb der Community
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Art und Umfang der Nutzung lässt sich flexibel gestalten
Warum sind christliche Coworking-Spaces für Kirchengemeinden interessant?
Zunächst scheinen Kirche und Coworking nicht viel miteinander zu tun zu haben. Bei näherem Hinblick hat ein Coworking-Space mit einer Kirchengemeinde mehr gemeinsam als man zunächst annehmen mag. Sowohl Kirchengemeinde als auch Coworking sind Orte der Begegnung und Offenheit, der Nachhaltigkeit, des Zusammenhalts und der Gemeinschaft. Wer hier herkommt, der ist willkommen. Ganz im Sinne der Jahreslosung 2022:
“Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.” (Johannes 6, 37)
Aus theologischer/gemeindeleitender Perspektive lässt sich über Coworking-Spaces sagen:
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Milieutheoretisch bietet ein Coworking-Space die Chance, auch neue und andere Milieus jenseits klassisch-hochverbundener Gemeindemitglieder zu erreichen. Während, wie die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen zeigen, die klassische Kirchenbindung abnimmt, kann die Gemeinde hier Menschen erreichen, die bisher nicht im gemeindlichen Fokus standen.
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Dies gilt insbesondere für eine Zielgruppe, die für Kirchengemeinden schwer zu erreichen ist: die Gruppe der (jungen) Erwachsenen zwischen 20 und 40 Jahren. Gerade diejenigen, die nicht über die Familienthematik angesprochen werden und dementsprechend in die kirchliche Versorgungslücke fallen, bekommen so ein für sie adäquates und ansprechendes Angebot. Hier können sie Kirche erleben, die zu ihnen passt und etwas für sie und ihre Lebenssituation bereit hält.
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Das Angebot ist niedrigschwellig und ermöglicht den Menschen in Kontakt zur Kirchengemeinde zu kommen, die dem Thema Glauben und Verkündigung zurückhaltend gegenüberstehen.
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Auch in der Öffentlichkeit wird die Kirchengemeinde durch ein Coworking-Space ganz anders wahrgenommen. Durch die Offenheit des Konzepts wird die Gemeinde zu einem relevanten gesellschaftlichen Faktor vor Ort. Die Kirchengemeinde wird in erheblichem Maße als lokaler Treffpunkt im Viertel wahrgenommen.
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Theologisch gesehen lebt die Kirchengemeinde im Coworking christliche Gastfreundschaft: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt” (Hebr. 13,2). Indem Gemeinschaft gelebt wird, lebt die Gemeinde christlichen Glauben.
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Nicht zuletzt ist die Nutzung von gemeindlichen Räumen als Coworking-Space finanziell attraktiv. Im Großteil der Fälle verfügen Gemeinden über ein Immobilienensemble, die oft Instandhaltungskosten in erheblichem Maße verursachen. Gleichzeitig sind die Gebäude oft nur partiell an Abenden oder Wochenende ausgelastet. Hinzu kommt, dass sich viele Kirchengemeinden in Toplage der Innenstädte befinden. Hier führt eine flexible Nutzung wie Coworking dazu, dass bestehende Räume mit finanziellem Vorteil für die Gemeinde genutzt werden können – und gleichzeitig der Gemeinde weiterhin zur eigenen Nutzung zur Verfügung stehen.
Welche und wie viele religiöse Angebote im christlichen Coworking verankert werden, bleibt eine sehr individuelle Entscheidung. Die Gemeinde hat hier die Gelegenheit sich als innovative Kirche zu positionieren.